Ägypten ist ein Geschenk des Nils. Dieses Zitat wird - nicht ganz korrekt - dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot zugeschrieben. Doch die Aussage dahinter stimmt allemal: Der Nil ist die Lebensader Ägyptens.
Hallo und willkommen bei Bibel-Orient TV. Mein Name ist Tobias Huhn und heute wollen wir uns einmal anschauen, wie aus Ägypten, einem Land mitten in der Wüste, eines der mächtigsten Großreiche der Weltgeschichte entstehen konnte. Der wichtigste Baustein für dieses Großreich hieß Wasser und in Ägypten kam das Wasser ausschließlich vom Nil. Mit fast 7000 km Länge ist der Nil der zweitlängste Fluss der Erde - nur knapp hinter dem Amazonas. Doch es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen diesen beiden Flüssen. Während der Amazonas durch üppige tropische Regenwälder fließt, verläuft der Nil - zumindest in Ägypten - durch staubtrockene Wüste. Besonders eindrucksvoll sieht man das auf Sattelitenbildern aus dem Weltraum. Hier erkennt man deutlich wie der Nil eine nur wenige Kilometer breite Schneise von grün durch die Wüste legt.
Doch der Nil führt auch nicht immer gleich viel Wasser. Jedes Jahr führt der Monsun im äthiopischen Hochland dazu, dass der Nil im Unterlauf, also in Ägypten, von Juni bis Oktober anschwellt und das Land überschwemmt. Während dieser Zeit lagert sich viel fruchtbarer Schlamm auf den unter Wasser stehenden Feldern ab. Wenn der Wasserpegel dann wieder sinkt, können Feldfrüchte ausgesät und pünktlich vor der nächsten Überschwemmung geerntet werden. Dieser regelmäßige Kreislauf versorgte die Ägypter seit der Jungsteinzeit zuverlässig mit Nahrungsmitteln. - Und noch mehr: Da die Felder von Juni bis Oktober ja unter Wasser standen, gab es dort während dieser Zeit auch nicht viel zu tun. Nur so war es möglich, große Menschenmengen für die Umsetzung gewaltiger Bauvorhaben zu organisieren, die wir bis heute mit den alten Ägyptern in Verbindung bringen.
Für solche Bauprojekte, ja überhaupt für die Organisation eines so langgestreckten Reiches wie Ägypten, war der Nil auch als Hauptverkehrsader von herausragender Bedeutung. Schon früh hatte man gelernt, die Strömung zu nutzen, um mit einfachen Booten Richtung Norden zu fahren. Während der Überschwemmungszeit hatte der Nil eine Fließgeschwindigkeit von etwa 7 km /h. Für die fast 900 km lange Strecke von Theben nach Memphis brauchte man somit gut 2 Wochen. In der Trockenzeit jedoch wurde auch das Wasser langsamer und für die selbe Strecke brauchte man dann bis zu 2 Monate!
Nicht ganz so einfach war es den Fluss wieder heraufzukommen, also in Richtung Süden zu fahren. Voraussetzung hierfür war die Erfindung des Segels etwa im 34. Jh. v. Chr. Nun konnte man die Nordwinde vom Mittelmeer nutzen, um auch in diese Richtung mit Booten zu fahren. Übrigens hat man den Nil aus Angst vor Sandbänken und niedrigen Flussstellen nur tagsüber befahren.
Der ägyptische Nil hat drei geographische Besonderheiten, die man auf jeden Fall kennen sollte. Zum einen sind dies die sogenannten Nil-Katarakte. Hierbei handelt es sich um sechs natürliche Barrieren im Oberlauf des Flusses, die bei Hochwasser aufgrund der Stromschnellen, bei Niedrigwasser durch gefährliche Felsbänke nur schwer schiffbar sind. Zum Teil hat man es vorgezogen, die Schiffe über Land an den Katarakten vorbeizutragen, anstatt sie zu durchfahren.
Ein zweites Hindernis für die Schiffahrt ist das sogenannte Nilknie bei Qena. Der Fluss macht hier eine Biegung, die an ein Knie erinnert. Dadurch verlässt er seinen sonst recht geradlinigen Verlauf und verlängert die Reise in Nord-Süd-Richtung beträchtlich.
Eine dritte Besonderheit ist das Nildelta, die Mündung des Flusses ins Mittelmeer. In der Gegend von Kairo und Memphis teilte sich der Fluss in der Antike in mehrere Arme, die ein breites Dreieck von fruchtbarem Land schufen. Heute sind von diesen Nilarmen nur noch zwei große erhalten, aber dennoch erkennt man auf Satelltienbildern gut die markante Form des Deltas.
Übrigens: Schon lange vor dem Bau des Suez-Kanals durch künstliche Wasserstraßen eine Verbindung zum Roten Meer herzustellen. Der sog. Bubastis-Kanal wird mit mehreren Pharaonen in Verbindung gebracht, u. a. mit Necho II., den wir auch aus der Bibel kennen.
Der Nil spielt bis heute eine bedeutende Rolle für die ägyptische Wirtschaft und Kultur. Berühmtheit erlangte der Assuan-Staudamm, der errichtet wurde, um den Wasserstand des Nils auch ganzjährig besser regulieren zu können. In einer Aufsehen erregenden Rettungsaktion wurden die einmaligen Tempelanlagen von Abu Simbel, die im Stausee zu versinken drohten, abmontiert und an einer anderen Stelle wieder aufgebaut. Ein vielschichtigeres Sinnbild für die komplexen Beziehungen zwischen Natur und Kultur, zwischen Nil und Ägypten, kann man wohl kaum finden.
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